Die Serie „Blickwinkel“ erscheint alle 14 Tage in unserem Newsletter. Hier schreiben Mitarbeitende des schwere reiter über ihre Arbeit, geben Einblick hinter die Kulissen, porträtieren Künstler*innen, beleuchten kulturpolitische Aspekte oder informieren über wichtige Belange des schwere reiter.
Wie macht man ein Festival? Ein Blick hinter die Kulissen von aDevantgarde | Blickwinkel 12/25
Liebes Publikum,
wie macht man ein Festival?
Festival – das klingt nach Camping und Mucke. Das aDevantgarde-Festival, für das ich mit Markus Lehmann-Horn in der künstlerischen Leitung arbeite, bei dem geht’s anders zu. In den Festivalwochen ziehen wir fast ins schwere reiter ein. Doch vom Camping bleibt hier in Konzerten mit unerwarteten Situationen nur „camp“ aka „Kitsch, eher ohne „-ing“. Womit wir fast schon beim Motto „Schönheit“ wären, wie es im Konzert „Carte Belle“ mit der/gelbe/klang passieren kann. Oder wir sind beim Suchen nach Hotels für das Quasar Saxophonquartett, damit es nicht campen muss und dann im Konzert „Beauté Douce-Amère“ nicht zart-bitter aus der Wäsche gucken muss. Sie sehen: Festival und aDevantgarde bedeutet wohl am ehesten Mucke. Es ist etwas Anderes als „Rock am Ring“ oder „Wacken“.
Ja, was ist es? aDevantgarde ist ein Kreis von Komponierenden der Jetztmusik, der … lasst uns einfach sagen: von heutiger Musik. Wir machen unser Festival alle zwei Jahre. Zwei Jahre vor dem nächsten Festival findet sich unser Team zusammen, das Lust auf Ausdenken, Aussuchen, Komponieren und Organisieren hat – so gilt neben dem Festivalmotto „nach dem Festival ist vor dem Festival“. Oder mancher munkelt: wer „B“ wie „Münchener Biennale“ sagt, muss auch „A“ wie „aDevantgarde“ sagen.
Wenn sich das Team gefunden hat, suchen wir das Motto. aDevantgarde als Begriff ist ja sehr hybrid, aus Avantgarde, „Vorhut“, und Devantgarde, „Nachhut“, zusammengesetzt. Das bringt mit sich, dass wir nicht nur Experimentelles feiern wollen, sondern auch Zartes, Geheimes, Verstecktes, Romantisches, Kitschiges etc. So war klar, dass es irgendwas „mit schön“ sein sollte, um mal ganz offen und provokativ diesen in den heutigen Künsten nur gebrochen oder dekonstruierten Begriff von „Schönheit“ auszurollen. So hieß es mal „schön“ oder „schöööön“. Dann mal „Schönheit?“ oder „Schönheit!“. Herrje – und noch Verwirrenderes. Nach langem Rumgeeiere sagten Markus und ich und andere: „Schönheit“, sonst nichts!
Somit hatten wir das Motto und gingen damit auf Ensembles und Komponierende zu. Manche sagten: „Ui, endlich schön!“ Andere: „Echt, schön?“ Ganz wenige: „Muss das sein?“ „Ja, es muss sein!“, beethovten wir zurück. Denn was ist „schön“? Komponieren, Organisieren, Aufführen, Zuhören, das kann alles „schön“ sein – oder es stellt sich ganz unvermittelt etwas „Schönes“ in einem ganz unerwarteten Moment?
Manche kreisten darum, andere wichen auf „Dialoghi d’Amore“ aus, manche auf schönen Klang, (Quasar und der/gelbe/klang), wiederum andere nahmen alles mit von „Aus Liebe“ über „Schönheit“ bis „Ugly“ (Münchener Kammerorchester). Oder wie in „Freund:innen“ entdeckten manche ältere Geburtstagskinder die jüngere Generation als „schöne“ Konzertpartner:innen. Oder wie „schön“ ist es, in den Konzerten des Jugendensembles JU[MB]LE Jugendliche und ehemals Jugendliche in der Auseinandersetzung mit heutiger Musik zu erleben.
So wurde für unser Team allein schon das Organisieren zu einer sehr schönen Sache – und für Sie hoffentlich zu einem schönen Hörerlebnis!
Ihr Alexander Strauch
Komponist und Festivalleiter
0 Kommentare