Die Serie „Blickwinkel“ erscheint alle 14 Tage in unserem Newsletter. Hier schreiben Mitarbeitende des schwere reiter über ihre Arbeit, geben Einblick hinter die Kulissen, porträtieren Künstler*innen, beleuchten kulturpolitische Aspekte oder informieren über wichtige Belange des schwere reiter.

Bewegung denken, Theater spüren | Blickwinkel 7/25

In Berlin habe ich Theaterwissenschaft studiert, am selben Institut, an dem auch die Tanzwissenschaft ihr Zuhause hat. Dass beide Disziplinen unter einem Dach vereint sind, ist kein Zufall. Auch wenn ich eine Laiin im Bereich Tanz bin, sehe doch ich ganz viele Verbindungen zwischen beiden Kunstformen. Deshalb mag ich auch meinen Arbeitsplatz am schwere reiter so gerne: Weil hier tanz und theater zwar im Titel nebeneinanderstehen, aber auf der Bühne stets die genuinen Gemeinsamkeiten der Sparten erfahrbar werden: Beide erzählen auf unterschiedliche Weise von unserer Vergangenheit, spiegeln Gegenwärtiges und stellen zukünftige Fragen – gleichsam mittels verbalem wie körperlichem Ausdruck.

Ein Festival wie HIER=JETZT, das Johanna Richter gemeinsam mit Birgitta Trommler vor nunmehr zehn Jahren gegründet hat, reflektiert genau diesen interdisziplinären Geist. Es schafft Räume, in denen Tanz nicht nur als Kunstform, sondern als lebendige, gesellschaftliche Praxis zu erleben ist.
HIER=JETZT zeigt, wie breit und lebendig zeitgenössischer Tanz in München aufgestellt ist – und schafft es dabei wie kaum ein anderes Format, nicht nur Fachpublikum, sondern auch neue Zuschauer*innen für die freie Szene zu begeistern (wie mich zum Beispiel!).

Auf der Webseite der Tanzwissenschaft an der LMU München habe ich folgendes Zitat gefunden, welches sowohl allgegenwärtige tänzerische Elemente als auch deren ausgefranste Ränder hin zu mit dem Theater assoziierten Praktiken benennt:

„Tanz gehört zu den Grundlagen menschlicher Kultur und prägt unsere Gegenwart – vom Ballett bis zum HipHop, in der Werbung und im Videoclip. Tanz, gestaltete Bewegung von Körpern in Zeit und Raum, ist in unserer Gesellschaft omnipräsent und realisiert sich in vielfältigen theatralen Formen und performativen Kontexten.“

Dieses Verständnis von Tanz als etwas Alltägliches und zugleich Hochkünstlerisches durchzieht auch das Programm von HIER=JETZT. Die eingeladenen Künstler*innen zeigen Arbeiten, die tief in unserer Zeit verwurzelt sind: politisch, poetisch, herausfordernd, fragil… Sie erzählen mit Körpern, was sich nicht immer verbal sagen lässt – und laden das Publikum ein, nicht nur zuzuschauen, sondern mitzudenken und mitzuspüren.

Was mich jedes Mal aufs Neue begeistert, ist die Offenheit des Festivals: Die Gespräche und Begegnungen rund um die Aufführungen machen deutlich, dass es hier nicht nur um fertige Produktionen geht, sondern um Prozesse, um Austausch, um gemeinsames Erleben.

Ich freue mich auf HIER=JETZT, weil es für mich genau das verkörpert, was Tanz und Theater in ihrer besten Form leisten können: uns im Moment zusammenzubringen, mit wachem Blick, offenen Sinnen und bewegtem Geist – im Hier und Jetzt.

 

Anna Maria Zimmermann, Kommunikation

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